Im letzten Jahr ging das
Wien Geschichte Wiki online, ein Projekt der
Wienbibliothek im Rathaus und des
Wiener Stadt- und Landesarchivs gemeinsam mit anderen Einrichtungen innerhalb und außerhalb der Stadtverwaltung. Das Wiki basiert auf dem sechsbändigen Werk "Historisches Lexikon Wien" herausgegeben von
Felix Czeike, dessen Einträge digitalisiert, OCR-gelesen und manuell in die entsprechenden Formularfelder der auf
Semantic MediaWiki beruhenden Datenbank eingegeben wurden. Die teilweise sehr kurz gefassten bzw. veralteten Artikel werden sukzessive überarbeitet und mit Bildern angereichert. Außerdem werden Inhalte aus verschiedenen internen Datenbanken, wie unserem "
Gedenktageindex", eingearbeitet. So umfasst das Wiki mittlerweile 34.734 Beiträge und 2890 Bilder. Was hat das jetzt mit "Zufallsfund" zu tun? Ich bin selber von Anfang an in der Wiki-Redaktion dabei - ich kontrolliere beispielsweise Einträge, die von extern kommen, schreibe selbst neue Beiträge und arbeite Biographien ein, die in der Bibliothek im Rahmen von Straßenbenennungen oder Ehrungen erarbeitet wurden. Dabei komme ich oft von einer Person zu einem Bauwerk zu einem Sachbegriff zu einer anderen Person - Ihr kennt das sicher. Letztens kam mir der extern angelegte Eintrag zum Wiener Pädagogen
Peter Bleich unter. Und da las ich: "Sein meist beachtetes Buch war aber das pädagogische Bändchen 'Nur Ruhe!' (1846), in dem er seinen Berufskollegen 300 Hilfsmittel zur Hand gibt, wie mit gewaltfreien Mitteln die Ruhe im Klassenzimmer aufrecht erhalten werden könne". Ich dachte, meine Stiefmutter - pensionierte Volksschullehrerin - würde das Buch sicher interessant finden, habe es mir ausheben lassen und habe mich bei der Lektüre sehr amüsiert.
Einerseits mutet das Buch sehr modern an. Es wird zum Beispiel in der Nachbemerkung hervorgestrichen, dass der Lehrer durch "ein freundliches, wohlwollendes, liebreiches Benehmen die Liebe und das Zutrauen der Kleinen in einem hohen Grade" gewinnen solle und dass der Lehrer "die Ursache der Unruhe und Unaufmerksamkeit in sich selbst und nicht in seinen Schülern" suche, denn "er wird finden, daß üble Laune, Unwohlseyn u.s.w. die Veranlassung sind, daß er diesen Tag nicht mit der gehörigen Heiterkeit in der Schule war". Körperliche Züchtigung wird nicht im geringsten angeraten, ja sogar vor übermäßiger Strenge gewarnt. Viele Mittel appellieren an das Ehrgefühl der Kinder. Andererseits dürfte von den 310 enthaltenen Mitteln heutzutage kein einziges mehr funktionieren ;-) oder was meint Ihr zu diesen Beispielen?
212. Mittel: (Zu einem Schüler, der schwätzt:) Was glaubst Du, was wird jeder Mensch lieber thun: arbeiten oder ruhen? Richtig, ruhen. Nun sieh, dein Mund will auch lieber ruhen als arbeiten oder schwätzen. Laß ihn also ruhen! Und solches will der Mund eines jeden Schülers.
86. Mittel: Jeder Schüler, der in der Schule unruhig ist, schließt sich von dem Kreise der Braven aus. Ich glaube, daß nicht Ein Kind diese Schande fühlen will.
18. Mittel: Heute befehle ich, daß jede Kind sehr ruhig und aufmerksam seyn soll. Ich will sehen, ob nur Ein Kind hier ist, welches diesen Befehl nicht mit Freuden befolgt.
24. Mittel: Liebe Kinder! In der Schule muß man lernen, ruhig sitzen, aufmerksam und fleißig lernen, wenn man von dem Lehrer will geliebet werden. Ich glaube, daß jedes Kind wird haben wollen, daß ich es liebe. - Daher wird heute jedes Kind das gerne thun, was ich so eben gesagt habe.
92. Mittel: (Zu einem Schwätzer:) Geh! trage deine Schulsachen nach Hause, und wenn dich deine Aeltern fragen, warum du dieses thust, so sage nur: Liebe Aeltern, zu dem, was ich in der Schule mache, ist kein Buch u.s.w. nöthig.
163. Mittel: Es gibt ein Geboth Gottes, welches heißt; Du sollst nicht tödten! - Wer in der Schule unaufmerksam ist, der tödtet die Zeit, und übertritt das Geboth Gottes, wodurch er eine große Sünde begeht.
Peter Bleich: Nur Ruhe! oder 300 einfache Mittel, Ruhe in der Schule zu erhalten. Ein Noth- und Hülfsbüchlein für angehende Schulmänner, denen es darum zu thun ist, die Ruhe in der Schule auf zweckmäßige Weise, ohne irgend einer Strenge, herzustellen. Wien: Mayer 1846. Wienbibliothek im Rathaus, Druckschriftensammlung, Signatur A-2323.