Sunday, October 23, 2016

Kampf gegen die Versuchung des Lesens

Ich lese gerade die "Memoiren einer Idealistin" von Malwida von Meysenbug (*) und bin dort auf folgende schöne Passage gestoßen:

Ich konnte kein Buch sehen, ohne mich dessen zu bemächtigen. Mein Geburtstag erschien mir fade, wenn er mir keine Bücher brachte. Hatte ich die erhalten, so saß ich den ganzen Tag und las und vergaß die wirkliche Welt über die der Phantasie. Meine Leidenschaft für das Lesen verleitete mich sogar, heimlich Bücher aus der Bibliothek meiner Mutter zu nehmen. Glücklicherweise fand ich nur solche, die mir nicht schaden konnten, aber die Tatsache beunruhigte mein Gewissen sehr, und ich beschloß, ernstlich gegen die Versuchung anzukämpfen. Doch trug die Leidenschaft noch öfter den Sieg davon in diesem Kampf. Endlich blieb ich Siegerin. Es war mein erstes Begegnen mit der Schlange, meine erste Handlung als Tochter Evas; aber es war auch mein erster ernster Sieg.

Übrigens ein wirklich tolles Buch, in dem Mädchen- und Frauenbildung, Selbständigkeit von Frauen, die Revolution von 1848, Kirchen- und Religionskritik, familiäre Zwänge, Geschlechterverhältnisse, tief empfundene Liebe und vieles mehr eine Rolle spielen.

(*) Ich kann mir diesen Namen einfach nicht und nicht merken - einmal sag ich Mathilde, einmal Malwine ;-)

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