Friday, September 28, 2018

"Die wirkliche Arbeit ist die Arbeit mit dem Benützer". Interview mit Edith Fischer, 1978

In der Ö1-Sendereihe "Von Tag zu Tag" war am 19. April 1978 die "Dokumentaristin" Dr. Edith Fischer (später Stumpf-Fischer) zu Gast bei Wolfgang Kos. Fischer arbeitete im Wissenschaftsministerium, wo sie von 1981 bis 1996 die Abteilung für das wissenschaftliche Bibliotheks-, Dokumentations- und Informationswesen leitete. Das Gespräch mit dem Titel "Bewältigung der Informationsflut - Neue Initiativen, Informationswesen" behandelt verschiedene bibliothekarische Themen von Sputnikschock, Einführung der EDV und die Tätigkeiten der "InformationsarbeiterInnen". Die Anrufe der ersten beiden ZuhörerInnen sind großartig :-D
Die Sendung kann erfreulicherweise bei der Österreichischen Mediathek nachgehört werden. Hier ein Auszug zum Berufsbild.

Kos: Darf ich Sie zwischendurch was Privateres fragen? Warum haben Sie einen Beruf gewählt als Bibliothekarin, einfach ein ständiges Umgehen mit Büchern, auch mit ziemlich komplizierten Ordnungssystemen. Warum hat Sie dieser Beruf interessiert?

Fischer: Ich hab erstens von jeher eine Beziehung zum Buch sowohl als Informationsmittel, aber auch zum Buch als Medium gehabt. Und dann empfinde ich diesen Beruf auch als eine Art von Sozialberuf. Es ist ein Beruf, mit dem man hilft, das Land aufbauen eigentlich. Man muss sagen, dass ein Land, dass der Wohlstand eines Staates wesentlich von den Erfolgen in Wissenschaft und Forschung abhängt, und die Steigerung des Sozialproduktes zu 80 bis 90 Prozent auf den technischen Fortschritt zurückzuführen ist. Also es ist eine Leistung, den Staat mit aufbauen zu helfen, eine Mitarbeit bei der Allgemeinheit. Und zweitens ist es auch eine bildungspolitische Tätigkeit. Und diese beiden Aspekte fesseln mich eigentlich an diesem Beruf.

Kos: Sie sagten "Sozialarbeit". Das ist ein im Zusammenhang mit dem Bibliothekswesen eigentlich ungewöhnlicher Begriff.

Fischer: Wenn man von der Volksbücherei ausgeht, eigentlich nicht. Da ist dieser Aspekt nicht neu. Vielleicht etwas neuer ist er im Hinblick auf das wissenschaftliche Bibliothekswesen und das Dokumentationswesen. Aber da hat man bisher viel zu sehr Schranken zwischen diesen beiden Bereichen gesehen.

Kos: Der Kunde sieht ja eigentlich nur den Mann oder die Frau bei der Bücherausgabe, vielleicht noch irgendeinen Aufpasser, der im Lesesaal sitzt. Aber den ganzen Apparat, der dahinter ist, der also in der Tiefe ein paar Stockwerke weiter unten oder im Bücherdepot werkt, den sieht man ja nicht. Was sind denn die Haupttätigkeiten des Informationsarbeiters, wenn man es einmal zusammenfassend sagen würde?

Fischer: Das ist richtig, dass die meisten Leute keine Vorstellung von dem Beruf wirklich haben. Was sie sehen, sind eben nur die Äußerlichkeiten, die Ausgabe des Buches, die Zurücknahme des Buches, den Auskunftsbeamten im Lesesaal vielleicht, der den Platz anweist. Die wirkliche Arbeit ist die Arbeit mit dem Benützer erstens, das heißt die Information des Benützers. Und die Tätigkeit zum Beispiel eines Bibliothekars beginnt mit der Auswahl der Dokumente, also der Bücher zum Beispiel, der Zeitschriften und sonstiger Unterlagen, in der richtigen Auswahl, in ihrer Erschließung, damit der Leser nicht ein ungeordnetes Ganzes vorfindet, sondern etwas heraussuchen kann mittels Katalogen, mittels einer sinnvollen Aufstellung, in der Erschließung, in der Zugänglichmachung und vor allem in der aktiven Vermittlung der Information.

Monday, September 24, 2018

Frau, Brille, mittleres Alter, intelligent

Ich bin über einen interessanten Artikel aus dem Jahr 1995 gestolpert: 25 männliche und weibliche Studierende an der Lawrence University wurden gebeten, "to generate as many attributes that quickly came to mind as being characteristics of the typical person in specified jobs". Die Attribute, die einer/m "Head librarian" am häufigsten zugeschrieben wurden, waren:
  • Female (20)
  • Glasses (18)
  • Middle-aged (9)
  • Intelligent (8)

Interessant finde ich, dass eben dezidiert nach "Bibliotheksleiter_in" und nicht nach "Bibliothekar_in" gefragt wurde. Die meisten Studierenden waren weiß und aus der Mittelklasse.

Quelle: Peter Glick / Korin Wilk / Michele Perreault: "Images of occupations: Components of gender and status in occupational stereotypes". In: Sex Roles 32 (1995) 9+10, S. 565–582.

BBB news. Neue Einträge in der Bibliographie Berufsbild Bibliothekar_in

Die neuesten Einträge in der Bibliographie Berufsbild Bibliothekar_in. Die gesamte Bibliographie findet sich auf library-mistress.net/berufsbild.

Astrid Oliver / Eric Prosser: "Academic Librarianship Without the Degree: Examining the Characteristics and Motivations of Academic Library Professionals". In: The Journal of Academic Librarianship 44 (2018) 5, S. 613-619

Erin Ackerman / Jennifer Hunter / Zara T. Wilkinson: "The Availability and Effectiveness of Research Supports for Early Career Academic Librarians". In: The Journal of Academic Librarianship 44 (2018) 5, S. 553-568

Marjana Gaponenko: Der Dorfgescheite. Ein Bibliothekarsroman. München: C.H. Beck 2018

Sarah Winman: Tin Man. Tinder Press 2017 / Putnam 2018

Tracey Pratchett and Gil Young with Carol Brooks, Lisa Jeskins & Helen Monagle: Practical Tips for Developing Your Staff. Facet 2016

Muhammad Arif / José Miguel Baptista Nunes / Saima Kanwala: "Looking Back, Moving Forward: An Assessment of LIS Internship Programme in Developing Country's Perspective". In: The Journal of Academic Librarianship 44 (2018) 5, S. 595-602

Josephine E. Olson / Irene Hanson Frieze / Ellen G. Detlefsen: "Having it all? Combining work and family in a male and a female profession". In: Sex roles 23 (1990) 9+10, S. 515-533

Peter Glick / Korin Wilk / Michele Perreault: "Images of occupations: Components of gender and status in occupational stereotypes". In: Sex Roles 32 (1995) 9+10, S. 565–582 []u.a. wird "Head librarian" abgefragt]

"Von exzessivem Liebesleben" erschöpft? Werde Bibliotheksleiter!

"Eine Bibliothek ist gleichsam der natürlichste, aber auch der schwierigste Entfaltungsraum für einen Roman, der etwas auf sich hält. Ist sie doch von vornherein dazu bestimmt, Schauplatz literarischer Gelehrsamkeit zu sein. Doch wer ausgerechnet in Lesesälen Handlungsfäden spinnt, nimmt in Kauf, dass seinen Figuren noch vor jeder Beatmung unsanft die Luft abgeschnürt wird", schreibt Ronald Pohl im "Standard" über Marjana Gaponenkos neuen Roman "Der Dorfgescheite", erschienen bei C.H. Beck.
Die Autorin befindet sich übrigens ab morgen mit diesem Buch auf Lesereise in österreichischen Bibliotheken. Der Start ist am 25. September um 19 Uhr in der Stadtbücherei St. Pölten. Weitere Termine und Informationen beim Büchereiverband.

Verlagstext:

Der einäugige Ernest Herz hat, erschöpft von seinem exzessiven Liebesleben, den Posten des Bibliotheksleiters im Stift W. angenommen und besinnt sich auf seine nicht minder große, andere Leidenschaft – das alte Buch. Die Wohnung, die er im Kloster bezieht, hatte seinem Vorgänger, Pater Mrozek, gehört, der auf eine kuriose Art Selbstmord begangen hat.
Ernest Herz muss feststellen, dass er mit seiner Vision einer zeitgemäßen Bibliothek in der konservativ-klerikalen Gesellschaft des Klosters auf Widerstände stößt, dass mit seinem mitgebrachten Telefunkenradio etwas nicht zu stimmen scheint, weil es nur noch "Radio Gabriel" empfängt, und dass der Selbstmord seines Vorgängers zahlreiche Fragen aufwirft. Eines Tages findet der Bibliothekar in einem Versteck ein Exemplar des mittelalterlichen Beststellers "Dialogus miraculorum". Dem Buch fehlt der Einband, die Neugierde des Bibliothekars ist geweckt, er versucht nun nachdrücklich herauszufinden, was seinen Vorgänger dazu getrieben haben könnte, sich umzubringen. Weiß der junge, verstörend schöne Kellner der Gastwirtschaft "Zum Lamm" unten im Dorf vielleicht mehr?
Skurril, komisch und liebevoll, mit ihrem unnachahmlichen Blick für das schräge Detail, macht Marjana Gaponenko die Welt der Bibliothek zum spannend-abgründigen Schauplatz.

Tuesday, September 18, 2018

Bibliothek: "beige gekleidete Angestellte in hässlichen Gebäuden"

"Das Klischee der öffentlichen Bibliotheken ist in Deutschland miserabel: beige gekleidete Angestellte in hässlichen Gebäuden, die in muffigen Räumen abgegriffene Bücher bewachen, für die sich in Zeiten blitzblanker Smartphones und hochpolierter Tablets sowieso kein Mensch interessiert. Wie können unter diesen Bedingungen Bürger, insbesondere Kinder und Jugendliche, die eine Welt ohne digitalisierte Umgebung gar nicht mehr kennen, in die öffentlichen Bibliotheken gelockt werden?"

Zitat aus: Hannah Bethke: "Ein Spray, das nach Lesen riecht". In: FAZ, 17. September 2018 (Bericht über die Next Library Conference in Berlin)

Saturday, September 15, 2018

Wichtige Kenngröße für Prokrastiniererinnen

Ich rechne lieber nicht aus, welche Omissi-Zahl mein letzter Artikel hatte...

Wednesday, September 12, 2018

12 von 12: Blog-Photoprojekt, September-Ausgabe

Inspiriert von der "12 von 12"-Idee aus dem Blog Draußen nur Kännchen...

Ihr macht am 12. eines Monats ganz, ganz viele Fotos. Am schönsten ist es, wenn ihr euren Tagesablauf dokumentiert. Abends wählt ihr dann 12 Bilder aus und postet sie in eurem blog. Ab 17 Uhr findet ihr unter meinem Posting eine Liste, in die ihr euch eintragen könnt.

...poste ich heute, am 12. September, 12 Bilder von meinem Alltag :-)


In der Früh trinke ich gerne einen Kaffee im Speisewagen. Heute musste ich stehen. Gelesen habe ich das Buch "Erotic stories for Punjabi widows", das im Oktober beim Girly Book Club auf dem Programm steht. Empfehlenswert!

Da ich mit den "Erotic Stories" schon im Zug fertig wurde, hab ich in der U-Bahn mit Terry Pratchetts "Feet of Clay" begonnen. In dem neunzehnten Roman aus der Discworld-Reihe stehen Golems im Mittelpunkt. Im abgebildeten Abschnitt geht es um Meteorologie, was ich witzig finde, da ich bei einem Wetterdienst arbeite.

Ein Kollege hat mir heute Äpfel aus seinem Garten mitgebracht. Ich habe auch ein kleines Apfelbäumchen, aber mit Klaräpfeln, die schon lange geerntet wurden.

Im Büro habe ich einen Papp-Spock :-) Es ist lustig, dass meine Kollegen immer noch beim Hereinkommen erschrecken, obwohl ich ihn jetzt schon ganz ins Eck gestellt habe.

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Lektüre in der Arbeit - Datenmanagement und Datenschutz.

Auf dem Heimweg: Ich photographiere gerne Bäume, Wald und Holz.

Noch ein Döblinger Baum vom Heimweg - im Sonnenlicht.

In der U-Bahn-Linie, die ich fast täglich benutze, wurde vor kurzem ein Essverbot erlassen. Seitdem werden wir mit halblustigen Durchsagen, riesigen Aufklebern und übertriebenen Plakaten genervt.

Als ich nach Hause komme, entdecke ich, dass meine Katzen sich zwei Beutel aufgebissen und halb leergefressen haben. Es ist ja nicht so, dass sie nichts im Napf gehabt hätten...

Mein Kater freut sich, wenn ich zuhause bin, weil er dann auf die Terrasse kann, um zum Beispiel Nachtfalter zu fangen, Vögel zu beobachten, mit seiner Schwester Minerva zu raufen...

Beim Abendspaziergang sehe ich immer einige Katzen in meiner Siedlung :-)

Straßenlaterne beim Abendspaziergang.

Is Siri a librarian?

Wenn aus Bibliotheksbestand Musik wird

"For me, it was a real discovery project". Die russische Sopranistin Julija Leschnewa (meist als Julia Lezhneva transkribiert) hat in der Staatsbibliothek zu Berlin die Werke des barocken bzw. frühklassischen Komponisten Carl Heinrich Graun eingesehen. Die Arien sind (bis auf eine) weltweit erstmals eingespielt worden, und zwar mit Concerto Köln unter der Leitung von Mikhail Antonenko.

Obwohl Carl Heinrich Graun heutzutage nicht vielen ein Begriff ist, war der deutsche Komponist seinerzeit ein Pionier und zählte zu den bedeutendsten deutschen Vertretern der italienischen Barockoper. 1735 wurde Graun gemeinsam mit seinem Bruder Vizekapellmeister der Kapelle des späteren Königs Friedrich des Großen. (...) Nachdem seine Werke lange Zeit in Vergessenheit geraten waren, macht die russische Sopranistin Julia Lezhneva ausgewählte Arien aus Grauns Werken nun der Öffentlichkeit zugänglich. Lezhneva verbrachte ganze Tage damit, Archivmaterial in einer Berliner Bibliothek [man könnte schon erwähnen, welche... Anm.] zu erforschen und entwickelte eine leidenschaftliche Beziehung zu Grauns teilweise beschwingten und tragischen Arien. [Quelle: Website von Concerto Köln]
Das Album ist 2017 bei Decca erschienen. Im Werbevideo wird auch die Bibliothek genannt/gezeigt. Ich finde schön, wenn ein Bibliotheksbestand so genutzt wird.

Tuesday, September 11, 2018

PartnerInnensuche in der Bibliothek

"Ich suche eine Freundin.. Ist eine Bibliothek ein guter Ort dafür? Und wie kann ich sie ansprechen?", fragte jemand auf gutefrage.net. Eine der Antworten: "finde schon, dass es ein guter Ort ist, jedenfalls laufen in einer Bibliothek normalerweise keine völligen Dumpfbacken rum". :-)

Friday, September 07, 2018

Tolle Idee für die nächste Konferenz...

Tuesday, September 04, 2018

Über die Arbeit der Zeitungsarchivarinnen

Die britische Tageszeitung "The Guardian" stellt im Artikel "Best kept secrets: how the Guardian archive tells the story behind the stories" die Arbeit der Archivarinnen Emma Golding und Philippa Mole vor. Ein willkommener Einblick in die Zeitungsarbeit. Auf die Frage, was das beste an ihrem Job sei, antwortet Emma Golding:
I feel very fortunate as there are loads of aspects to my job that I enjoy but one of things that I get most excited about is delving into new or rarely seen collections and discovering the stories within them. For example, we recently acquired the papers of the Guardian's first Africa correspondent, Clyde Sanger. I'm currently in the process of surveying the collection, but so far I've unearthed fascinating notebooks, correspondence and political campaign material from late 1950s and early 1960s Africa, when many nations were gaining independence.
Außerdem werden diese Fragen beantwortet: How do you decide what goes in to the archive? Do you have any favourite pieces? How did you come to work in the Guardian archives? How does it compare with other jobs you've had? What does your average day look like? Which teams do you work with around the building? How much of the archive is digitised? Can you tell us what's coming up for the archives? Which present day news stories do you think will feature most prominently in the archives?

Zitat von Philippa Mole zum Abschluss:

Archivists in books and films always seem to be found cloistered in dusty basements, often wearing tweed or giant cardigans. In reality, though, we need to be out in the business, working with colleagues from different areas to get the job done.