Friday, March 30, 2007

Zukunft der Bibliographie

Bei meinem dienstäglichen DiplomandInnen- und DissertantInnenseminar hielt der Würzburger Bibliothekar Dirk Wissen einen Vortrag über seine in der Endphase befindliche Dissertation "Zukunft der Bibliographie - Bibliographie der Zukunft. Von bibliographischen Informationen in Schriftverzeichnissen zu mediographischen Daten virtueller Literaturportale am Beispiel der Varianten Mediographie und Wikigraphie". Dazu wurden in einer aufwendigen Delphi-Studie mit mehreren Durchgängen vierzig ExpertInnen befragt, die aus dem Bibliotheksbereich bzw. aus geisteswissenschaftlich orientierten Archiven kommen. Als Ergebnis entsteht ein theoretisches Modell für ein "mediographisches Literaturportal", dessen mögliche Verwirklichung die Befragten bis 2015 ansetzten. - Wendelin Schmidt-Dengler sprach beim Seminar an, dass mangelnde Literaturrecherche keineswegs ein Merkmal von Diplomarbeiten sei, sondern sich sogar bis in das Habilitationsniveau ziehe, und dass viele Bibliographie-Projekte mehr oder weniger verwaist bzw. dem aktuellen Stand teils jahrelang hinterher seien. Er erwähnte auch, dass diese Tätigkeit nur wenige Leute interessiere (kurze Werbeeinschaltung in eigener Sache: Sie suchen eine ausdauernde Bibliographin im Bereich der Geisteswissenschaften? Hier bin ich - Anruf genügt!!)

Leider gab es zeitbedingt keine Möglichkeit zu einer ausführlichen Diskussion, daher hier ein paar Gedanken dazu:

  • Vielleicht habe ich zu oft Klaus Graf gelesen, aber ich habe doch den Eindruck, dass medial groß gepushte, mit enormen finanziellen und personellen Mitteln gebaute Großprojekte schon zum Zeitpunkt ihrer Online-Schaltung ihrer Zeit hinterher hinken - z.B. wenn neu geschaffene Portale keine RSS-feeds anbieten etc. Ich will jetzt nicht die Innovationen in der Garage glorifizieren, aber oft ist klein (bzw. klein startend) eher innovativ.
  • Mir würde die Idee gefallen, die Inhalte von regional ausgerichteten Bibliographien mit Geotags zu versehen. Das würde es zum Beispiel ermöglichen, eine Karte anzubieten, auf der die BenutzerInnen mit der Maus ein bestimmtes Gebiet markieren könnten und dann alle Treffer zu diesem Gebiet angezeigt bekämen.
  • Die Idee einer kollaborativen Bibliographie für einen bestimmten Fachbereich, die ein Open Access-Archiv miteinschließen würde, wäre meiner Ansicht nach keine schlechte Idee. Allerdings darf man nach meiner Erfahrung nicht allein auf die freiwillige Mitarbeit der AutorInnen bauen, sondern muss dafür Personen abstellen.
  • Ein skeptischer Punkt zum Schluss: Selbst bei einem umfassenden Portal wird nie alles enthalten sein können - wie definiert man, wo zum Beispiel das Fachgebiet der Germanistik aufhört? Wie löst man das Zugriffsproblem, z.B. bei kostenpflichtigen Datenbanken - dürfen dann wirklich alle zugreifen? Wie überwindet man Sprachgrenzen?
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