Monday, September 17, 2007

BibliothekarInnen und Selbstarchivierung: Kommentare erbeten

Ich arbeite gerade an einem Vortrag namens "Wein predigen und Wasser trinken. Theorie und Praxis von Open Access im österreichischen Bibliothekswesen", den ich am Donnerstag mit meiner Studienkollegin und Freundin Michaela Putz bei der Odok halten werde. Wir haben uns ausführlich damit befasst, welche Gründe es gibt, dass BibliothekarInnen zwar häufig Open Access von WissenschaftlerInnen fordern, aber selbst bei der Selbstarchivierung ihrer Texte nicht so eifrig sind. Wir werden uns dabei auf den "grünen Weg" beschränken, da der "goldene Weg" uns in Bezug auf das österreichische Bibliothekswesen nicht als praktikabel erscheint. Übrigens gibt es da noch mehrere Spielarten: siehe "Ten flavors of open access to journal articles". In: John Willinsky: The access principle. The case for open access to research and scholarship. MIT Press 2006, S. 212 - 213.

Die Ursachen lassen sich im wesentlichen in fünf Bereiche gliedern, die sich teilweise natürlich überschneiden - ich nenne einige Beispiele aus unserer Liste:

  • Klima: z.B. Ansicht, Publizieren generell bzw. Online-Publizieren bringe nichts für die Karriere, die eigenen Artikel seien nicht wichtig genug, mangelnde institutionelle Verankerung bibliotheks- / informationswissenschaftlicher Forschung in Österreich, mangelnde Wahrnehmung der Bibliothekswissenschaft als Wissenschaft
  • Zeit: Einstellen dauert zu lange, Vertrautmachen mit dem Repository dauert zu lange, "allgemeines Phlegma" (Zitat Klaus Graf), Abstractschreiben dauert zu lange
  • Wissen: z.B. man kennt sich gar nicht mit Open Access aus, kennt den Begriff vielleicht gar nicht, man weiß nicht, welche Repositories es gibt, weiß nicht, in welches fachliche Repository man einstellen soll (E-LIS, DOIS, Infodata eDepot, dLIST, Portal Informationswissenschaft...), hat generell mangelndes Selbstbewusstsein beim Umgang mit dem Internet
  • Recht: man weiß nicht, ob der Verlag und/oder die MitautorInnen zustimmen, hat Furcht vor Plagiaten oder restriktive Verlagsverträge (kg)
  • Interface: z.B. Interface des OA-Archivs ist nicht in vertrauter Sprache, man kennt die verwendeten Begriffe nicht, hat Schwierigkeiten bei der Zuordnung zu den Fachgebieten
  • Frage an die hier Mitlesenden: Welche Gründe gibt es Eurer Meinung nach noch? Ich freue mich über Kommentare.

    Klaus Graf fasst in seinem Archivalia-Beitrag "Open Access nicht nur aus Kostengründen" vom 19. Jänner 2006 die Vorteile auf einleuchtende Weise zusammen, hier seien nur die Überschriften wiedergegeben:

  • "1. OA verhilft - insbesondere entlegenen - Publikationen zu mehr Aufmerksamkeit" - ich kann das aus meiner eigenen Erfahrung bestätigen: Ich habe kürzlich auf einen bei E-LIS eingestellten Artikel Feedback von einer neuseeländischen Bibliothekarin bekommen, das wäre wohl nicht passiert, wenn der Aufsatz nur gedruckt und/oder nur kostenpflichtig erschienen wäre. Gerade bei E-LIS, das ich als Co-Editorin für Österreich von den LIS-Archiven am besten kenne, gefällt mir die Internationalität der Beiträge.
  • "2. OA kann Disparitäten bei der Erwerbungspolitik von Bibliotheken ausgleichen". Das finde ich besonders im Bibliothekswesen wichtig, wo es viele kleinere Bibliotheken gibt, die sich meist nicht mehr Fachliteratur als die Zeitschrift des jeweiligen Verbandes leisten können.
  • "3. OA fördert den Pluralismus"
  • "4. OA-Volltexte unterstützen die Internationalisierung der Wissenschaft" - und durchaus auch der praktischen Anwendung!
  • "5. OA-Volltexte ermöglichen das Auffinden von Fachliteratur unabhängig von Metadaten", weil der Volltext ggf. durchsuchbar ist.
  • "6. OA-Publikationen partizipieren an den allgemeinen Vorteilen digitaler Publikationen" - Dokumente in offenen Archiven sind rund um die Uhr von jedem internetfähigen Gerät abrufbar, werden von den Suchmaschinen bzw. OAIster gut erfasst und mit nützlichen Metadaten versehen. Das ist auch etwas, was für die Einstellung in einem Archiv und nicht für die ausschließliche Bereitstellung auf der eigenen Website spricht. In Österreich werden beispielsweise die Büchereiperspektiven und die VÖB-Mitteilungen kostenlos als pdf-Gesamtdokument zur Verfügung gestellt, was sehr löblich ist, aber noch nicht optimal.
  • "7. OA-Publikationen partizipieren an den allgemeinen Vorteilen freier Inhalte"
  • 2 comments:

    1. Liebe Monika Bargmann, der Liste von Klaus mit den Gründen für OA möchte ich noch etwas hinzufügen:
      OA unterstützt das informelle und lebenslange Lernen.
      Es ist unbestritten, daß das kontinuierliche Lernen jenseits institutionalisierter und formalisierter Kontexte (also z.B. Lernen ohne an einer Hochschule eingeschrieben zu sein) heute immer wichtiger wird, und sogar als Grundhaltung gesellschaftlich erwartet und gefördert wird. Man betrachte da nur das umfangreiche, extrem dynamische Wissen, das in "wissensbasierten Berufen" heute vorausgesetzt wird. Die Suskriptionsmodelle von Nicht-OA-Medien sind der Lern- und Wissenswelt von gestern entlehnt und funktionieren, wenn überhaupt, nur in den formalisierten Kontexten der Hochschulbibliotheken etc.; "alternative" Toll-Access-Modelle wie Micropayment, Digital Rights Management werden zwar gepusht, aber es gibt keinerlei Anzeichen dafür, daß sie sich durchsetzen werden, eher im Gegenteil.

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    2. Also, bei mir ist es die knappe Zeit und das Sich-Vertrautmachen, welche sich als Schwellen bemerkbar machen. OPUS bin ich gewohnt, das geht schon automatisch, aber auch da warten schon 2 Texte recht lange darauf, eingepflegt zu werden. In eLIS bin ich beispielsweise nicht hineingekommen, zumindest nicht in der Zeit, die ich damals zur Verfügung hatte. - Aber wenn das eine Schwelle darstellt, warum stellt man es nicht einfach auf die persönliche Homepage? Tja ...

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