Thursday, July 10, 2008

Geschmack an den sonderbaren Titeln

"Beim Antiquariatsbuchhändler sowie in öffentlichen Bibliotheken kann man nicht selten Männer beobachten, die mit größtem Eifer beflissen sind, nach möglichst alten, seltenen oder seltsamen Büchern zu stöbern. 'Bücherwürmer', 'Bücherratten', 'Büchernarren', 'Flibustiers' und andere Ehrentitel sind es, womit sie belegt werden, je nach der Art und dem Zwecke ihrer Neigungen. Der Eine sucht alte Bücher, um sie an andere Liebhaber solcher mit Gewinn weiter zu verkaufen; der Andere, um aus den alten Scharteken neue 'Werke' zu machen; ein Dritter benutzt sie gewissenhaft nur als 'Quellen' für seine literarischen Darstellungen; ein Vierter liebt die alten Bilder und Initialen in den antiquarischen Werken; ein Fünfter findet Geschmack an den sonderbaren Titeln, welche die alten Bücher oft führen. Der gewöhnliche Händler mit dergleichen macht es sich leicht, er stellt seine Schätze gesichtet und gesondert in Reihe und Glied und läßt den 'Bücherwurm' wählen nach Herzenslust, aber den Bedienern öffentlicher Bibliotheken sind die Antiquare oft wahre Quälgeister, indem sie sie immer und wieder nach den Repositorien hetzen, um ihr Begier zu befriedigen. Es giebt auch Fälle, in denen die Leidenschaft solcher Freunde alter seltsamer oder kostbarer Buchwerke so groß ist, daß sie solche, oder gewisse Bestandtheile daraus, Titelblätter etc. stehlen"

Quelle: N.N.: "Zu unseren Bildern". In: Ost und West. Illustrirtes Familienblatt 6 (1888) 4, S. 109 [Signatur C 117176]

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