"Lesen, verstanden als das visuelle Aufnehmen und kognitive Verarbeiten schriftlicher Informationen durch ein Individuum, ist die Grundlage akademischer Wissenserzeugung. Neben dem sequenziellen Lesen von kontinuierlichen Texten spielen in akademischen Kontexten auch andere Lesepraktiken eine entscheidende Rolle: Suchendes, orientierendes, überfliegendes und punktuelles Lesen zählen ebenso dazu wie das Erfassen und Verarbeiten diskontinuierlicher Textsorten wie Tabellen, Kataloge, Indizes oder Register. Dazu kommen zu lesende Ergebnisseiten von Suchmaschinen oder Datenbanken sowie die Anordnung von Buchaufstellungen in Bibliotheken. Diskontinuierliche Lesestrategien zur schnellen Erfassung von Informationen dienen der Identifizierung von relevanten Texten und Textabschnitten und bilden dadurch häufig die Vorstufe eines kontinuierlichen Tiefenlesens, welches erst ein ganzheitliches Verstehen und Analysieren von schriftlich codierten Wissenskomplexen ermöglicht.Weitere Informationen zu Deadlines und möglichen Themen im Call for Papers.Akademisches Tiefenlesen zeichnet sich wiederum durch spezifische Leistungen und Anforderungen aus. Erstens müssen Aussagen in Texten identifiziert und zusammengeführt wer-den. Dabei müssen Leistungen der Beschreibung, des Exzerpierens und des Referenzierens von Informationen erbracht werden. Zweitens müssen die extrahierten Aussagen zu vorhandenen Wissensbeständen aus anderen Texten in Beziehung gesetzt werden, um größere Zusammenhänge zu erschließen und assoziative Wissensbestände zu erzeugen. Dabei sind Leistungen der Kategorisierung, Systematisierung, Kontrastierung und Kombination von Informationen zu erbringen. Drittens müssen gelesene Aussagen und ihre Verknüpfungen in ihrer Bedeutung bewertet werden. Hierzu müssen Aussagen als bedeutend markiert, durch eigenes Wissen ergänzt, in Kontexte eingeordnet und kommentiert werden. Und viertens müssen die gewonnenen Erkenntnisse in sich logisch strukturiert als neuer Wissensbestand zusammengestellt und erinnert werden.
Wissenschaftliche Bibliotheken nehmen als Informationsversorger der Wissenschaft nachhaltigen Einfluss auf die Möglichkeiten, Praktiken und Medien des akademischen Lesens. Gleichzeitig stehen bibliothekarische Angebote in Abhängigkeit zu den dynamischen Entwicklungen des Publikations- und Informationsmarkts.
All die genannten Dimensionen des akademischen Lesens sind von dem Digitalisierungsschub der letzten Jahre tiefgreifend betroffen, dessen konkrete Konsequenzen für Studierende, Lehrende und Forschende erst noch zu analysieren sind."
Monika Bargmann aka library mistress postet über Bibliothekarinnen und Bibliothekare, Bibliotheken, Archive, Bücher und Datenbanken, Grünzeug, Lesen und Schreiben - vor allem Science Fiction (meistens auf Deutsch, manchmal auf Englisch, seltener auch in anderen Sprachen)
Wednesday, February 10, 2021
Call for Papers: Sammelband Akademisches Lesen. Medien, Praktiken, Bibliotheken
Thursday, February 04, 2021
CfP Workshop "Besitz und Gebrauch – Bücher in bürgerlicher Hand"
Die Frage nach der Erschließung von Büchern in ihrem Benutzungskontext in der Frühen Neuzeit wird gegenwärtig intensiv diskutiert. Unter anderem richtet sich der Blick auf Kulturen des Sammelns (etwa private Bibliotheken oder Archive), auf Praktiken des Lesens und Annotierens sowie auf methodische Wege der Erschließung und Analyse von textlichen Artefakten im Sinne von "Buchbiographien". Der Workshop knüpft an eine Tagung des Jahres 2019 im Stadtmuseum Berlin an, die dem ursprünglich aus Mainz stammenden, viele Jahre in Halle (Saale) lebenden Seidensticker Hans Plock (ca. 1490-1570) und dessen Buchbesitz gewidmet war. Der Luxushandwerker Plock setzte sich insbesondere in der von ihm annotierten und collagenhaft bebilderten Lutherbibel (1541) intensiv mit theologischen, politischen und anderen Aspekten der Reformationszeit auseinander. Aber auch in einer Sensenschmidt-Bibel und einem Sammelband mit reformatorischen Flugschriften hat Plock Spuren hinterlassen. Der Wittenberger Workshop weitet nun die Perspektive, indem bürgerlicher Buchbesitz und Buchgebrauch vom 15. bis 17. Jahrhundert systematischer und vergleichend in den Blick genommen werden soll.Neben kirchlichen Institutionen und Angehörigen des Adels waren es insbesondere wohlhabende und gebildete Bürgerinnen und Bürger, die Bücher erwarben, einige von ihnen bauten sogar größere Büchersammlungen auf. Das Spektrum reicht hier von Gelehrten über städtische Führungsgruppen bis hin zu Handwerkern, Händlern und Gewerbetreibende. Funktion und Stellenwert des Buchbesitzes in bürgerlicher Hand variierten allerdings in den unterschiedlichen sozialen, politischen und kulturellen Kontexten. Die Vermutung liegt nah, dass dies auch Auswirkungen auf den Umgang mit Büchern zeitigte. Wie wurde mit dem Objekt "Buch" umgegangen? Bedeutete Buchbesitz auch Buchlektüre? Wie sah die Praxis des Lesens in den verschiedenen bürgerlichen Milieus aus? Was war wichtig, was wurde wie verstanden und vielleicht auch weitergegeben? Lassen sich Unterschiede zwischen männlichem und weiblichem Buchbesitz und Buchgebrauch bestimmen, wie kann bürgerlicher von adeligem oder geistlichem Umgang mit Büchern abgegrenzt werden?
Diesen Fragen geht der Workshop in einem interdisziplinären Zugriff nach, wobei insbesondere den Gebrauchsspuren Aufmerksamkeit zukommen soll: Randnotizen, Zeichen und Zeichnungen, hinzugefügte Bilder und Wappen, An- und Unterstreichungen gelten als Formen der Aneignung von Büchern und deren Inhalten, aber auch als Austausch, in dem Besitzerinnen und Besitzer in den Dialog sowohl mit Autorinnen und Autoren als auch mit den Büchern als Objekte treten. Für den Workshop sind gleichermaßen Beiträge willkommen, die Einzelpersonen oder bestimmte Sammlungen untersuchen wie auch solche, die übergeordnete Fragen oder methodische Probleme behandeln.
Mehr dazu auf h-germanistik.