My private little Hinterholzacht. Über die Haus-Arbeit
Seit einigen Monaten bin ich stolze Besitzerin eines 35 Jahre alten Hauses. Seitdem bin ich in meiner Freizeit mit Haus-Arbeit beschäftigt. Demnächst muss ich sogar einen Meldezettel im Baumarkt ausfüllen. Der Tragödie erster Teil.B wie Bodenverlegen. Bodenverlegen ist eine besondere Herausforderung, wenn der Raum bei jeder einzelnen Reihe unterschiedlich breit ist. Meine Großeltern dürften anscheinend einen ausgesuchten Profi als Maurer beschäftigt haben.
D wie Dampfbremsfolie. Man lernt beim Umbauen ständig neue Wörter. Und als angehender Germanistin fällt mir natürlich gleich auf, dass "Dampfbremsfolie" fünf Konsonanten hintereinander aufzuweisen hat. Den netten Herrn im Baumarkt hat das nicht so interessiert. Versteh ich nicht.
G wie Geschlechterrollen. Wenn die Alternative darin besteht, mit Schleifpapier Farbe von der Wand zu kratzen, gewinne selbst ich plötzlich Gefallen an klassischer Aufgabenteilung und verbringe liebend gerne Zeit in der Küche.
H wie Handwerker. Nicht nur wenn ich mein Auto von der Werkstatt abhole und über die Rechnung weine, gewinne ich den Eindruck, dass ich doch was Sinnvolleres hätte lernen sollen. Ich bin mittlerweile auch überzeugt, dass das Handwerk von der Wirtschaftskrise nicht betroffen gewesen sein kann. Beispiel Spengler: Ich habe über mehrere Tage x-mal angerufen, bis überhaupt jemand abgehoben hat, dann insgesamt drei Nachrichten bei der Sekretärin deponiert und habe den versprochenen Rückruf "vom Chef" noch immer nicht erhalten. Verständlich, dass ein kleiner Handwerksbetrieb keine Ganztagssekretärin beschäftigen kann, aber wie wär's mit einem Band, auf dem die Handynummer angesagt wird, oder einem Anrufbeantworter? Beispiel Fensterfirma: Eine Freundin von mir wartet seit Monaten auf ein Angebot für Jalousien. Beispiel Maler: Auf eMails wird anscheinend überhaupt nicht reagiert. - Ich wäre ja schon dankbar, wenn man mir – wie der Zimmermann – zumindest mitteilt, dass man im Moment keine neuen Aufträge mehr bewältigen kann.
K wie Kosmetik. Sie leiden unter fettem Haar? Dann empfehlen wir Ihnen die erprobte und besonders wirksame "Baustellen-Kur"! Unser einzigartiger Staub setzt sich tief im Inneren der Haare fest und verhindert zuverlässig rasches Nachfetten. Außerdem sorgt er durch seine besondere Klebrigkeit für außergewöhnlichen Schwung im Haar (wenn unsere Mitbewerber behaupten, dass die Haare nach dem Aufstehen einfach zu Berge stehen, haben sie eben keinen Geschmack). Für die innere Anwendung in Nase und Lunge empfehlen wir zusätzlich unser spezielles Leimfarben-Inhalationsgerät. Jetzt probieren in Monikas Baustellen-Beauty Parlour - Sie erhalten bei einem Besuch bis 28. Februar 2011 kostenlos eine Spachtel Ihrer Wahl dazu!
L wie Leimfarbe. Könnte ich in der Zeit zurückreisen, würde ich die Erfindung der Leimfarbe verhindern - oder zumindest meine Großeltern davon abhalten, sie in meinem nachmaligen Haus aufzutragen. Tausende HausbesitzerInnen, die in Unkenntnis ihrer Tücke ahnungslos über Leimfarbe drübermalen, würden mir ersteres danken. Beim ersten Kontakt von Disper-sionsfarbe mit Leimfarbe fiel mir ahnungsloser Ausmalerin zunächst gar nichts auf. Nach einer Stunde bildeten sich erste Risse, und über Nacht fiel die neue Farbe in langen Streifen ab. Der Ratschlag "Leimfarbe einfach abwaschen" kostet mich nur ein müdes Lachen. Da half nur Abspachteln und Abkratzen. Da der händische Gebrauch von Schleifpapier auf Dauer ziemlich anstrengend für Armmuskeln und Fingerkuppen ist, wollten wir zur elektrischen Variante greifen und liehen uns Vatterns Bandschleifer aus. Der schleift sehr gut (fast schon zu gut - ein bisschen länger und ich hätte eine zweite Durchreiche gehabt). Leider riss nach fünf Minuten der Antriebsriemen.
P wie Palatschinkenteig. Spachtelmasse ist wie Palatschinkenteig. Zu dick. Zu dünn. Zu dick. Zu dünn. Zu dick. Zu dünn. Wird schon passen.
S wie Skisport. Skisport im Fernsehen ist leicht hinderlich bei der Haus-Arbeit, vor allem wenn sich alle Beteiligten dafür interessieren. Da hört man ständig Sätze wie "Gut, den einen Nagel schlag ich ein, aber nachher läuft das Dreikönigsspringen" oder "Schauen wir doch noch den zweiten Durchgang an, bevor wir die Leiste montieren" oder "Biathlon ist so faszinierend, da vergesse ich ganz darauf, dass ich die Tapete ablösen wollte".
V wie Vorher und Nachher. Eigentlich ist die Sache klar: Vorher = altes Haus = schlecht. Nachher = renoviertes Haus = gut. Leider wird bei dieser grob vereinfachten Perspektive das lange "Zwischendurch" vergessen. Ich hatte anfänglich eigentlich ein funktionsfähiges Haus. Es gab Bodenbeläge und Farbe auf den Wänden und Möbel. Jetzt habe ich blanken Putz und blanken Estrich und tonnenweise Staub. Aber die gehören immerhin mir...
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