Tuesday, August 24, 2010

Das Bibliotheks-Ehepaar

"Als ich in der Stadtbücherei verkündete, ich wolle heiraten, sobald mein Praktikum beendet sei, versammelten sich die Bibliothekarinnen um meinen Tisch und begannen unverzüglich zu rechnen. Es scheint, dass Hochzeit und Rechnen auf geheimnisvolle Weise verknüpft sind. Ich dachte, wenn ich von Ehe sprach, an Romeo und Julia mit verteilten Rollen, an verzauberte Sonnenuntergänge, an abenteuerliche Mahlzeiten und beschwingte Feste, an eine Art Entdeckung der Welt – aber das schien nicht auszureichen. Frau Mieze stellte fest, dass wir weder Strumpf noch Schuh haben würden, in spätestens einem halben Jahr seien wir verhungert, und wovon ich denn beispielsweise Nylons zu kaufen gedächte? Eine Frau brauche so etwas, zumal, wenn sie verheiratet sei; irgendetwas müsse sie doch schließlich davon haben!"

Aus: Hannsferdinand Döbler: Ein Achtel Salz. Die Geschichte einer jungen Ehe. München: Ernst Heimeran 1960 - ein reizendes Buch

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