Saturday, April 13, 2013

Karl Emil Franzos über Hofnamen

Mit Karl Emil Franzos bin ich leider erst bei einem Literaturgeschichte-Konversatorium auf der Uni zum ersten Mal in Kontakt gekommen - bei Werner Michler standen "Die Juden von Barnow" auf der Leseliste. Sehr empfehlenswert! Vor kurzem habe ich mir seine Reiseberichte "Deutsche Fahrten" auf den Kindle geladen, und zwar den Teil "Reise- und Kulturbilder aus Anhalt und Thüringen". Die Texte machen mir große Lust, dort hinzufahren, aber ich fürchte, da sieht es heute nicht mehr so aus wie vor hundert Jahren... In einem Abschnitt über das Schwarzatal beschreibt Franzos die Verwendung der Hofnamen:

"Begegnen zwei Leute einander, so reicht ihre Zeit, auch wenn sie noch so eilig sind, zu einem Gruß und einem Spaß, und wenn's auch nur das Zurufen des Spitznamens wäre. Solche Namen wachsen ja naturgemäß in jedem Dorf wie die Brombeeren; beim Familiennamen ruft man sich da niemals, sondern bezeichnet einander nach dem Hof, dem Gewerbe oder hervorstechenden Eigenschaften. Die Spitznamen sind also anderwärts keineswegs zugleich immer Necknamen; hier oben, soweit ich's erkunden konnte, fast immer. Viele sind harmlos, wie zum Beispiel Scharbsheiner, Veigelemarie; der Heinrich liebt eben Pfannkuchen und die Marie Veilchen; auch Linsenschlingerfritz bedeutet keine ehrenrührige Gewohnheit. Noch weniger Stöckelmartin; der alte Mann, der so hieß, hatte sich eben einst im Stöckelnspiel (was die Schweizer Pflöcklispiel nennen) ausgezeichnet, und Schwatzmarthe vollends könnte jede Frau im Tal heißen. Andere Namen bezeichnen körperliche Eigenschaften; angenehm sind sie ja für die Träger nicht, aber doch auch dem Leumund nicht abträglich: Hinkehanne, Ohrenmatthes; zwei gleichnamige, aber sehr verschiedene Kusinen bei Oelze werden als Steckenliese und Schmalzliese unterschieden; letzteres nach dem im Tal geltenden Schönheitsideal entschieden ein epitheton ornans. Und nach den dort herrschenden Ansichten können auch Mädelkarle und Kußgrete nicht niederdrücken. Andere Spitznamen wieder sind ohne alle Spitze, nur eben Bezeichnungen, so zum Beispiel Löffelsimshannematthes, was, wie ich glaube, bedeutet: der Matthias, der Sohn der Hanne, welche die Tochter des Löffelsimon war; einen andern, Sauerteigsbalzer, lasse ich aus dem nicht untriftigen Grunde unerklärt, weil ich's selber nicht weiß. Viele Namen aber sind recht unangenehm, und wollte man nach ihnen schließen, so stünden zahlreiche Leute im Tale bei ihren Nebenmenschen in üblem Geruch, moralisch, aber auch körperlich. Solche Namen nehmen sich in Druckerschwärze schlecht aus, würden zudem leicht zu falschen Schlüssen verführen. Die Leute sind spottlustig und nicht eben fein, aber allzu böse gemeint ist derlei nie".

Hauszeichen Fuchshof Hollenthon Vulgonamenschild PusterwaldMit Hofnamen bzw. Vulgonamen hab ich mich ja vor einigen Jahren in einer Seminararbeit beschäftigt, und sie lassen mich nicht los :-) Links ein Photo vom Fuchshof in Hollenthon in der Buckligen Welt, rechts ein Photo aus dem steirischen Pusterwald, wo sogar die Bushaltestelle den Namen "Steinmetz" trägt!

No comments:

Post a Comment