Wednesday, April 03, 2013

Leseliste IV: Abraham a Sancta Clara: Wunderlicher Traum von einem großen Narrennest

Die Reihe der Diplomprüfungslektürenvorstellung wird mit Abraham a Sancta Claras "Wunderlichem Traum von einem großen Narrennest" fortgesetzt.

Titelblatt Abraham a Sancta Clara: Wunderlicher Traum von einem grossen Narrennest, gutenberg.spiegel.deTitelblatt von Projekt Gutenberg, gutenberg.spiegel.de

Ich konnte ja lange Zeit gar nichts mit Barockliteratur anfangen. In der fünften Klasse Gymnasium habe ich den abenteuerlichen Simplicissimus gelesen und fand ihn schrecklich (das hat sich mittlerweile geändert). Erst auf der Uni bei den buchwissenschaftlichen Vorlesungen von Franz Eybl kam ich wieder mit Barock in Kontakt, eben mit Abraham a Sancta Clara. Dieses Buch ist eines der witzigsten Bücher, die ich je gelesen habe - nicht im Sinne von Schenkelklopfer, sondern von einfach genialen Formulierungen.
Abraham stellt darin zwölf Typen von Narren - vom einfältigen über den versoffenen bis zum eifersüchtigen Narren - vor. Beispiele für närrisches Verhalten liefern ihm Herrscher ebenso wie einfache Leute. Meine Lieblingspassage betrifft den verliebten Narren: "Amnon ein Sohn deß Davids hat sich dergestalten verliebt in sein Schwester die Thamar, daß er vor lauter Lieb ist kranck / und bethlägerig worden; es hat ihme weder Essen noch Trincken geschmeckt; das Gesicht ist ihme gantz und gar eingefallen / daß er ausgesehen / wie ein außgeblassene Sackpfeiffen; Tag und Nacht hat er geseufftzet nicht anderst / als wie ein ungeschmierte Hauß-Thür; er war dergestalten entzündt in der Lieb / daß er ohne Gefahr noch Schaden nicht hette können bei einem Stroh-Dach vorbei gehen" :-)
Der "Clou" liegt im zwölften Abschnitt, beim lobwürdigen Narren, nämlich dem Christen, der auf irdische Güter verzichtet, fastet, in einfachster Kleidung auftritt und deswegen vielen wie ein Narr vorkommt ("Ein soler Narr / sagt mancher Welt-Mensch / bin ich nicht / ich will gleichwohl in Himmel kommen / es heist ja / du sollst deinen Nechsten lieben; wer ist mir nähender als mein Leib?"), aber, so Abraham, "dise Narrheit ist bei GOtt ein Weißheit".

Leseliste III: Damaris Nübling, Fabian Fahlbusch, Rita Heuser: Namen. Eine Einführung in die Onomastik.
Leseliste II: Ernst Stadler: Fahrt über die Kölner Rheinbrücke bei Nacht.
Leseliste I: Georg Heym: Die Tote im Wasser.

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