Nachdem ich "Der Fall Jane Eyre" ziemlich schnell fertig gelesen habe, lese ich gerade den berührenden Roman "Herz über Bord" von Lili Grün, erschienen 1933 bei Paul Zsolnay. Darin wird die Geschichte der jungen Schauspielerin Elli geschildert, die, aus Wien stammend, in Berlin ihr Glück versucht, aber zwischen einzelnen kurzen Engagements immer wieder von Mietrückständen, Hunger und Zukunftsängsten geplagt ist.
"Hedwig ohne Schminke, im Spitalskittel, mit mageren Armen, spitzen Schultern, keine Zigarette zwischen den Lippen. Es ist auf den ersten Blick zu sehen, daß Hedwig nicht die Kameliendame ist. Es ist nicht poetisch, lungenkrank zu sein, es ist nicht poetisch, in einem langen, freudlosen Spitalssaal zu liegen, zwischen hustenden, spuckenden Menschen. Es ist nicht die Krankheit, die Elli aus der schönen Literatur kennt, es ist eine arme, arme Proletarierkrankheit, es ist ein häßliches Siechtum. Keiner von ihnen wird mit ein bißchen Blut auf den Lippen und einem Lächeln sterben. Auf diesen Gesichtern steht mit großen Buchstaben: Elend, Hunger, ewige Entbehrungen. Elli möchte sich verkriechen können, um dies alles nicht sehen zu müssen. So ist das also, so!" (S. 133 - 134).
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