Friday, August 08, 2008

"das beschädigte Buch aber kann er behalten"

"Es giebt auch sogenannte Lesekabinete, wo man Bücher zum Lesen in deutscher und andern Sprachen haben kann, als: bey Herrn Binz am St. Stephansfreythof. Herrn Haaß in den Schulhof oder gewesten Jesuitenplatzel. Herrn Walißhauser auf dem Kohlmarkt. Herr Zehetmayer und Kiermayer in den Milchgassel ohnweit St. Peter.
Die Bedingungen, unter welchen Jedermann dieser Leseanstalt beytreten kann, sind folgende. Auf einem Tag werden keine Bücher ausgeliehen, sondern man abonirt sich wenigstens auf ein Monat, beym Empfang des ersten Buches, macht man einen Einsatz von zwey Gulden, und erhält dafür einen gedruckten Schein. Wer zwey oder mehrere Bücher zugleich nehmen will, macht eine doppelte Einlage, und bezahlt für jedes Buch täglich einen Kreuzer.
Sollte von Jemanden ein Buch merklich beschädiget, oder gar unbrauchbar gemacht werden, so muß er dasselbe nach dem gewöhnlichen Buchhandlungs-Preiß bezahlen, das beschädigte Buch aber kann er behalten.
Bey Kiermayer werden auch folgende allgemeine beliebte Journale zum Lesen ausgeliehen: Berliner Monatsschrift. Hamburger politisches Journal. Neuer deutscher Merkur von Wieland. Allgemeine Handlungszeitung. Journal des Luxus und der Moden. Neue allgemeine deutsche Bibliothek. Salzburger oberdeutsche Litteraturzeitung. Journal für Fabrik, Manufaktur und Handlung. Jenanaer Litteraturzeitung. Deutsche Monatsschrift. Flora für Deutschlands Töchter. Olla Potrida. Annalen des Theaters. Die Horren von Schiller. Neue deutsche Monatsschrift.
Dieser Anstalt kann man unter folgenden Bedingungen beytreten. Man abonirt sich auf ein ganzes Jahr mit sechs Gulden - und macht die gewöhnliche Einlage von zwey Gulden. - Wer aber verlangt, daß ihm die Journale in seine Wohnung gebracht werden, bezahl jährlich neun Gulden vorhinein, und erhält dafür jeden zweyten Tag ein anderes Journal. Wer zu Ende des Jahres austritt, der muß es einem Monat vorher anzeigen".

Aus: Sicheres Addreß- und Kundschaftsbuch für Einheimische und Fremde, welche vorläufige Kenntniß von der Haupt- und Residenzstadt Wien haben wollen. Ganz neue vermehrte und verbesserte Auflage. Wien: Gerold 1797, o.P.

1 comment:

  1. Dieses Buch habe ich mir vor einiger Zeit auch angesehen; nett finde ich die folgende Passage in der Vorrede, wo das Reisebuch mit einem Lohnlakaien verglichen wird: Man hat schon vielmal den gerechten Wunsch nach einem Führer hiesiger Haupt- und Residenzstadt geäußert, der mehr sagt als ein umherführender Lohnlaquey zu sagen im Stande ist, weniger kostspielig kömmt als er, und mit einem Wort, wo man in jedem Fache für seine Forsch- und Wißbegierde Befriedigung ohne Unterschied und Partheylichkeit finden kann.

    Und weitere interessante Informationen zu den Wiener Lektürkabinetten liefert der ebenfalls in der Wienbibliothek befindliche:

    Plan des mit dem k.k. Realzeitungs Komtoir vereinbarten Lekturkabinete. Plan d'un Cabinet de Lecture combiné avec le comtoir privilegié de la Gazette dite Realzeitung. Zu finden im k.k. allerg. privil. Kunst und Realzeitungs Komtoir auf dem Kohlmarkt, Wien: Kurzböck, 1772.

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