Friday, December 22, 2017

Die Bibliothek vor 300, 200, 100 Jahren. Kolumne 3/2017: Leihbüchereien

"Der Leseverein in Aspang empfiehlt den P.T. Sommergästen die reichhaltige Bibliothek (2.000 Bände) zur Benützung. Gebühr per Saison K 3,-. Bibliotheksstunden jeden Montag von 2 bis 3 Uhr nachmittags". Dieser Text stammt aus einem Inserat in Eduard Nemeczeks "Führer und Chronik von Aspang mit Berücksichtigung des Wechselgebietes und der Buckligen Welt" (1912). Waren das noch Zeiten, als in Veröffentlichungen der Tourismuswirtschaft mit dem Vorhandensein einer Leihbücherei geworben wurde!

Apropos Leihbücherei – darunter versteht man nicht eine öffentliche Bibliothek im heutigen Sinne, sondern eine kommerzielle Einrichtung, in der Bücher gegen Gebühr verliehen wurden. Die Leihbibliotheken waren häufig an Buchhandlungen angeschlossen, wurden von verschiedenen gesellschaftlichen Schichten zur kostengünstigen Literaturversorgung genutzt und bestanden vom 18. Jahrhundert bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Die noch heute bestehenden Lesezirkel und Romantauschbörsen haben hier ihre Wurzeln.

Bildquelle: Inserat "Die grosse öffentliche Leih-Bibliothek von P. Rockenstein", Adolph Lehmann's allgemeiner Wohnungs-Anzeiger 1864, S. XXXI, www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/25908

Wie gestalteten diese Leihbüchereien ihre Öffentlichkeitsarbeit? Inserate standen an erster Stelle – in Reiseführern ebenso wie in Branchenblättern, in Tageszeitungen und Adressbüchern. Im Wiener Adressbuch "Lehmann" aus dem Jahr 1864 macht zum Beispiel "die grosse öffentliche Leih-Bibliothek von P. Rockenstein" mit 120.000 Bänden auf sich aufmerksam: "Alle Werke sind in den besten und schönsten Ausgaben vorhanden." Carl Armbruster gab 1811 in der "Wiener Zeitung" das Versprechen ab: "Meyn unausgesetztes Bestreben wird seyn, den Beyfall und die Zufriedenheit Aller zu verdienen, welche mein Institut zu ihrer Bildung oder zur Erholung benützen wollen."

Außerdem wurde mit gedruckten Katalogen geworben. Im "Verzeichniß der Bücher, welche bey Johann Georg Binz Buchhändler, auf dem Stephansfreydhof nächst dem Zwetlhof ausgeliehen werden" (1790) beispielsweise wird nicht nur der Bestand aufgelistet, sondern auch erläutert, wie eine Leihbücherei funktioniert:

Beim Empfang des ersten Buchs werden gegen einem gedrukten Schein 2 Gulden eingesetzt: wer aber zwey oder mehrere Bücher zugleich nihmt, setzt doppelt so viel ein. Für ein jedes Buch wird täglich ein Kreuzer bezahlt, welches geschieht, wenn ein Monath verflossen, oder aber auch alsdenn, wenn man vorhero zu lesen aufhört. Auf einen Tag werden keine Bücher ausgeliehen, wohl aber wenigstens auf 10 Täge. Wenn man zu Lesen aufhört, wird das eingelegte Geld gegen zurückgab des Buchs und Einlieferung des ausgestelten gedrukten Scheins zurückgegeben.


Kolumne erschienen in: Büchereiperspektiven 3/2017, S. 29 (gesamte Ausgabe als ePaper und als PDF)

No comments:

Post a Comment