Wednesday, April 06, 2011

Der Tonbandbrief

Der halbjährliche Flohmarkt in der Apostelpfarre ist normalerweise mein Versorgungsort für blau-weißes Geschirr, dass ich ja - nebst anderen Dingen - sammle. Diesmal war außer drei Untertassen nix Passendes dabei, deswegen hab ich mich auf die Bücher konzentriert und u.a. die Broschüre "Heiteres Tonband-Brevier" von BASF erworben. Es steht kein Jahr drinnen, aber laut Angaben diverser Onlinebuchhändler dürfte das Büchlein so um 1970 erschienen sein. Die vielen Möglichkeiten, die dem Magnetophonband dabei zugesprochen werden, unterscheiden sich nicht wesentlich von früheren eLearning- und Web-Lobeshymnen ;-) siehe z.B. den Abschnitt "Tonband in Forschung und Technik".

Eine Anwendungsmöglichkeit finde ich besonders interessant, und zwar den Tonbandbrief. "Wie lange schreibt man an einem fünfseitigen Brief, wie schnell dagegen ist der gleiche Text auf Band gesprochen! Aber das ist noch nicht alles. So ein gesprochener Brief trägt den Klang der Stimme selbst über die sieben Weltmeere hinweg. Mit all dem, was sich 'zu Hause' zugetragen und ereignet hat. Zusammen mit Geräuschen und Musik vermittelt er Verwandten, Bekannten und Freunden eine eigene, lebendige Atmosphäre. Aber auch Grüße aus dem Urlaub - auf Band gesprochen - geben den Daheimgebliebenen ein echtes Stimmungsbild von den unbeschwerten Ferientagen, mit eingeblendetem Vogelgezwitscher, der Dorfglocke oder der Dialektstimme des Wirtes" (S. 50). Es gab eine praktische Verpackung und einen günstigen Posttarif dafür: "Das BASF Briefband hat die ideale Brieflänge von 71/2 Minuten je Spur bei 9,5 cm/sec Bandgeschwindigkeit. Die Packung dient gleichzeitig als Versandkarton. (...) Das BASF Briefband wiegt weniger als 50 Gramm und kann... als Warensendung verschickt werden. (...) Außer Drucksachen dürfen keine schriftlichen Mitteilungen von mehr als fünf Worten beiliegen. (...) Am Anfang des Bandes sollte man Empfänger und Absender nochmals mit den genauen Adressen aufsprechen, damit die Post, falls die Verpackung stark beschädigt wird oder gar verlorengeht, sie durch Abhören des Bandes ermitteln kann" (S. 50/51).
Kann sich jemand von meinen LeserInnen noch daran erinnern? Wir haben in der Familie sowas leider nie gemacht. Auf der Website der Norderstedter Erinnerungswerkstatt hab ich einen interessanten Text von Fritz Schukat dazu gefunden: "Wir produzierten von 1985 bis 1990 jedes Jahr, und zwar immer am ersten Weihnachtsfeiertag für unsere Verwandten im fernen Australien eine 'rundfunkmäßige' Gesprächsrunde mit viel Weihnachtsmusik und blendeten manchmal auch vorher aufgenommene Telefongespräche von Schwiegermutter oder anderen Verwandten ein, so dass das Ganze durchaus einen profihaften Eindruck machte".

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